Am 27. Juni 2018 sorgte ein Pfiff dafür, dass die Welt für einen Moment stillstand. Zumindest die Fußballwelt. Deutschland, die Fußballnation, der Ex-Weltmeister, wurde mit dem Ausscheiden des deutschen Teams aus der Weltmeisterschaft quasi aus ihren Angeln gerissen. Grundsatzdiskussionen über Trainer, Spieler und das deutsche Ligasystem brachen aus. Alles verschlimmert durch die Tatsache, dass das deutsche Team in der Vorrunde, gegen Südkorea ausschied, die vor dem Turnier als Außenseiter deklariert wurden.
Dabei hatte das deutsche Team aber, betrachtet man es aus der Perspektive von Claus von Clausewitz (1780-1831), nicht vollkommen versagt. Clausewitz, unter anderem Militärwissenschaftler, beschäftigte sich mit der Theorie über den Krieg. Taktik, ist „die Lehre vom Gebrauch der Streitkräfte im Gefecht“, oder mit Fußballjargon gesprochen: die Lehre vom erfolgreichen Gebrauch des Teams, um ein Spiel zu gewinnen. Taktisch also war das Team um Jogi Löw zumindest beim 2:1 Erfolg gegen Schweden richtig aufgestellt. Die Strategie jedoch fehlte: Strategie bezeichnet Clausewitz „die Lehre vom Gebrauch der einzelnen Gefechte zum Zweck des Krieges“, oder eben die Fähigkeit, ein Turnier, bzw. zumindest die Vorrunde, erfolgreich zu überstehen. Das ist dem deutschen Team nicht gelungen. Eine erfolgreiche Strategie, nämlich mehrere Spiele zu gewinnen, schlug fehl. Mit Taktik kann man ein einzelnes Spiel gewinnen, aber kein ganzes Turnier. Dazu ist immer eine Strategie nötig. Oder kurz gesprochen: Die Taktik denkt kurzfristig, die Strategie denkt über die Taktiken hinaus, langfristig.
Der Kampf auf dem Spielfeld wurde zumindest (zeitweise) abgesagt und wanderte durch die Corona-Pandemie auf das wirkliche Leben ab. Bemüht man dabei die beiden Begriffe von Taktik und Strategie, kann die Politik beleuchtet werden. Bezeichnend hierfür ist die Antwort des NRW-Minsiterpräsidenten Armin Laschet auf die Frage von Anne Will in einer Sendung vor Weihnachten, was denn die Strategie für 2021 sei: „Jetzt konzentrieren wir uns zunächst einmal auf den 2. Lockdown.“
Eine Antwort auf eine andere Frage, wenn man um die Begrifflichkeiten von Clausewitz weiß. Denn dem Virus ist schlichtweg egal, wie lange der 2. Lockdown dauert. Laschet hat mit seiner Antwort lediglich eine Taktik zur kurzfristigen Eindämmung der Pandemie vorgelegt, aber keine langfristige Strategie, wie das Corona-Virus zu bekämpfen ist.
Ein ähnliches Vorgehen ausschließlich taktischer Natur, kann man zynisch wohl einigen Politikern und Politikerinnen unterstellen, die lediglich in kurzfristigen Legislaturperioden, ergo in Wahlerfolg, zu denken vermögen, dabei aber das weitaus wichtigere Ziel, nämlich die Bekämpfung einer langfristigen Pandemie voranzutreiben, aus den Augen verlieren. Denn auch nach der nächsten Bundestagswahl wird es voraussichtlich immer noch ein Corona-Virus geben. Hinter Taktik und Strategie in der Corona-Politik verbirgt sich damit ein Problem unterschiedlicher Zeithorizonte, das wiederum verschiedene Motivationen vermuten lässt. Die Politik denkt eben in 4-Jahresschritten, angeleitet durch den zu erzielenden Wahlerfolg der Politik, die Pandemie eben nicht.
Interessanterweise gaben über 1/4 der Befragten des Instituts für Generationenforschung an, dass Institutionen und Forschungseinrichtungen in Krisenzeiten über der Regierung stehen sollten. Bei den jüngeren Befragten (GenZ) lag der Anteil sogar bei über 36 %. Deuten damit die Befragten einen Ausweg aus der Differenz von Strategie und Taktik an? Nämlich wissenschaftlich fundierte Erkenntnisse zu nutzen, die uns langfristig den Weg aus einer Pandemie leiten können? Und wenn man einen Blick auf die Bedeutung des Robert-Koch-Instituts wirft, bahnt sich da gerade eine wissenschaftliche Expertokratie an?
Jedenfalls scheint „Strategie“ ein Begriff zu sein, mit dem sich unsere Politik mehr auseinandersetzen sollte und das vielleicht auch ungern tut, wie man aus der Antwort von Laschet vermuten könnte. Eine Strategie ist einfach länger als eine Legislaturperiode. Das sollte die Politik angesichts der vielen Infektionszahlen und Corona-Toten akzeptieren und berücksichtigen.
Etwas mehr Nachdenken über Strategien in der Politik wäre ein guter Vorsatz für die Zukunft, denn es muss in der Corona-Pandemie nicht nur das Runde ins Eckige, sondern ein Virus besiegt werden.
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