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Generation-Thinking ist erlernbar

Gastbeitrag vom Generationenforscher Dipl.-Psych. Rüdiger Maas, M.Sc. in A³ ahochdrei


Die Generation Z erobert nun auch den Arbeitsmarkt – neben den Babyboomern und der Generation X und Y. Anspruchsvoller könnte eine Mehrgenerationen-Diversität nicht sein. Zudem bringt die Generation Z völlig neue Aspekte mit ins Rennen.


Die Anforderungen der GenZ hinsichtlich Arbeitszeit und -ort sind der absolute Gegenentwurf

zum Modell, das lange Zeit wirtschaftspolitisch propagiert wurde. Wird mit flexiblen

Arbeitszeiten gelockt, läuft man bei GenZ ins Leere und wird schnell Misstrauen wecken: Zler

vermuten hier nur billige Parolen, die am Ende in Mehrarbeit enden. Während der Großteil der

Millenials (Generation Y) noch nach Work-Life-Balance strebte, haben die Zler ganz anderes im Sinn: Work-Life-Separation heißt ihre Devise.

Keine Anrufe oder E-Mails nach Dienstschluss bitte, denn Freizeit heißt freie Zeit. Sie wünschen sich schlichte Vorgaben und klare Verhältnisse – nicht nur seitens ihrer Vorgesetzten, auch ihre Umgebung soll ihnen spiegeln, was sie gerade von ihnen möchte. War die Generation Y noch stolz auf ihre neu erschlossenen, kreativen Spielräume in allen Lebensbereichen, so strengen diese die Generation Z bereits an – sie fühlen sich überfordert und ausgelaugt von der Flut an Möglichkeiten.


Sie sind Digital Natives 2.0 – hineingeboren in eine Zeit, in der Online- und Offlinewelt längst

zu einer einzigen verschmolzen ist. So wenig sie klare Grenzen kennen, so sehr sehnen sie sich nach eben diesen. Social Media z.B. bietet genau das für sie. Hier können sie soziale

Interaktion erleben und forcieren. Viele ihrer Kontakte werden ausschließlich online gepflegt

– die sozialen Netzwerke werden in dieser Funktion nahezu unentbehrlich und bleiben dadurch für sie essentiell.


Klare Grenzen wahren

Doch dass diese virtuellen Orte für sie Rückzugsräume sind, an denen sie sich teils länger

aufhalten als in der originären Offline-Welt, darf keinesfalls zu falschen Schlüssen führen. Versucht man sie, dort „abzuholen“ und „auf Augenhöhe“ mit Werbung und Recruiting-Ansprache zu erreichen, ist es, als würde man bei einem Vertreter der Generation X ungefragt mit Flyermaterial vor der Haustür stehen und klingeln. Für Generation Z kann ein solches Vorgehen als extrem aufdringlich, als Eindringen in ihre Privatsphäre empfunden werden! Sie fühlen sich dadurch im Privatraum gestört und bedrängt, reagieren gereizt und ablehnend.

Für den Bewerbungsprozess und die Ansprache gilt es nun die klaren Grenzen zu wahren.

Was konventionelle Recruitingprozesse wieder auf den Plan ruft – aber bitte keine Offline-Zeitungsannonce. Angesichts ihrer Mediennutzung überrascht doch, wieviel sich bei der Jobsuche offline abspielt. So finden über die Hälfte der Zler nach wie vor über ein Praktikum zum neuen Job. Die anderen fanden bereits eine Stelle über Empfehlungen der Familie, oder durch Empfehlungen von Freunden. Erst danach wird die Onlinewelt befragt.


Familie als Anker

Familie und Freunde haben einen sehr hohen Stellenwert bei den Zlern. Oftmals sind die familiären Beziehungen die einzigen, welche im Meer endloser Unverbindlichkeiten

überhaupt eine Chance haben. Zwischen aggressivem Push- und im schnell gelangweiltem Pull, inmitten ständig rasender Geschwindigkeiten die einzigen, welche auf Dauer wirklich Bestand haben. Aber auch wenn dieser Blick und ihr Kommunikationsverhalten das

oftmals nahelegen mag, die Generation Z ist keineswegs oberflächlich oder hält sich rein mit

Belanglosem auf. Sie ist sich sehr wohl des Werts echter, tiefer Beziehungen bewusst. Was für einen hohen Stellenwert Familie für die Generation Z besitzt, wird auch angesichts der Zahlen der Generation-Thinking-Erhebung deutlich, denn 60 Prozent der Befragten bewerteten Familie mit „sehr wichtig“. An zweiter Stelle (45 Prozent) steht ein Beruf, welcher genug freie Zeit für die Familie gewährleistet und damit ebenso dieser klaren Prioritätensetzung entspricht. Das Gehalt ist für sie zwar nicht unwichtig, doch kommt es bei weitem nicht, wie bei der Generation Y, an erster Stelle. Dass diese Gewichtung bei der Gestaltung der Arbeitsstelle berücksichtigt werden muss, liegt auf der Hand. Der Arbeitgeber muss die geforderte Zeit unbedingt einräumen, wenn er die Generation Z für sich gewinnen und auch halten will. Doch ebenso wie der Wunsch nach Grenzen, der sich nicht nur auf die Stelle selbst, sondern auch den Weg dorthin auswirkt.


Die Eltern der Generation Z sind längst kein Abgrenzungsobjekt mehr sondern best buddies, beste Freunde, Coaches und Berater gleichzeitig, aber eben keine Erziehungsberechtigten mehr. Sie sind die wichtigsten Ansprechpersonen und oftmals Entscheidungsträger in der Zeit dieses großen Schritts in die eigene Erwerbstätigkeit. Will man nun Zler ansprechen, müssen infolge ihrer Eltern mitbedacht werden.


Personalarbeit wird komplexer

Betrachtet man all diese Punkte, kommt man schnell zur Erkenntnis, dass die Personalarbeit

wesentlich komplexer wird. Eine große Anzahl von Arbeitgebern wird in den nächsten

Jahren den Arbeitsmarkt verlassen und eine deutlich geringere Anzahl an Arbeitnehmern

nachkommen. Die Generationen Z hat vier Millionen Vertreter weniger als die Generation X,

bei den Babyboomern geht die Zahl noch weiter auseinander.


Es ist schlichtweg fahrlässig, in der heutigen Personalarbeit nicht generationenübergreifend

und systemisch zu denken bzw. denken zu lernen. Was auf den ersten Blick erstmals wie Mehraufwand erscheint, wird sich am Ende mehrfach bezahlt machen, den Generation-Thinking ist erlern- und trainierbar.




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